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1970
Paranoide Liebe
Das Wissen, dass jetzt der Stoß erfolgt von einem Anderen. Daß zwei sich im Bett rumwälzen, während du allein rumhängst im kahlen Hotelzimmer und versuchst, nicht daran zu denken.
Liebe: das ist Fremdgehen noch und noch unter höhnischem Grinsen über deine Dummheit. Das ist Ficken im Stehen und zu viert. Das ist hochschleichen und einen Nachmittag beim „Künstler“ verbringen.
Liebe: das ist Fortgehen abends und sich nichts zu sagen haben.
Liebe: das ist trotz alldem an ein gutes Ende glauben, weil du gar nicht anders kannst.
Liebe: das ist Hinlegen, und versuchen zu schlafen.
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1970
Paranoide Visionen
Irgendwann kommt sie auf den Trichter, 5 Minuten vor’m Zuspätsein.
Irgendwann ist sie beinahe so hässlich, dass du nicht mehr kommen magst.
Irgendwann glaubt sie, sie hätte es bereut, was sie getan hat.
Irgendwann stehst du vor ihr und hast sie immer noch lieb.
Irgendwann gehst du wieder und sagst: was hab ich mehr zu verlieren, als was ich verloren hab?
Irgendwann, da will sie dass du kommst, und dann kommst du nicht mehr. Davor hat sie immer Angst gehabt, ohne es zu wissen.
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1970
Hineinsteigerung in die Paranoia
Warum hat sie gerade Marburg ausgesucht, um fremdzugehen? Warum hat sie uns das zerstört?
Ist ihr Bewusstsein gespalten – mit dem einen Teil liebt sie mich, mit dem anderen zerstört sie die Liebe?
Warum ist sie damals im Herbst 1967 nachts zu Wolfgang gegangen (statt mit mir zusammen ins Studentendorf zu fahren)?
Warum wollte sie am nächsten Tag beim Abschied glauben, dass jetzt Schluß sei?
Was spielte sich in der Küche ab in unserem Haus in Lindos, wenn Boris reinging, wenn sie dort rumhantierte? Warum ging sie so bereitwillig das Frühstück einkaufen morgends, nachdem Boris zu Marc ins Haus gezogen war?
Als sie eines Mittags zum Baden und Sonnen ging in die Felsen-Gegend, wo Boris öfters angelte, und sie in der Einsamkeit des griechischen Meeres nackt auf einem Felsen in der Sonne lag - hat sie insgeheim auf Boris gewartet, weil sie nach einem Krach zwischen uns beiden dort hinging?
Verkörpert unser inneres jetziges Auseinandersein nicht einfach das Mißverhältinis an sexuellen Möglichkeiten für sie und für mich? Was bleibt mir anderes übrig, als vorwiegend feste Frauen zu haben – bei dem Unterangebot für mich?
Wo war sie, als ich mit Amelie in Kathmandu zum Arzt sollte und sie verlief sich in Kathmandu und war verschwunden? War die Nachuntersuchung beim Arzt nur eine Finte?
Was spielte sich an jenem Nachmittag auf der nepalesischen Botschaft in Kalkutta ab, als sie noch mal dort hinfuhr, weil wir unsere Reisepässe vergessen hatten – sie brauchte unheimlich lange.
Was war an jenem Abend, als ich eine halbe Stunde lang heftig an ihre Tür bollerte in Kathmandu, obwohl ich ihr sagte, dass ich noch zu ihr käme?
Wo war sie an jenem Nachmittag, als das englische Mädchen abgeführt wurde? Obwohl das Schloß an der Tür hing war Ildiko im Hotel Eden. Wo? Bei wem?
Was war an jenem Nachmittag als ich dann Abends das Carlsberg-Bier von der amerikanischen Party holte?
Was war an jenem Nachmittag, als sie es ablehnte mit mir zu ficken?
Was war an jenem Abend, als sie völlig regungslos sich von hinten ficken ließ – was bedeutete die Regungslosigkeit?
Was hatte sie mit Peter? Ihre Füße streichelten sich, als wir einmal zusammen Fressen gingen in das Tibetaner-Lokal?
Warum hatte ich an meinem Geburtstag mein Geld vergessen? Warum schob ich ihr die Schuld in die Schuhe? Warum versuchte ich mir klar zu machen, wie ich ihr ständig Unrecht tue?
Warum hatte sie solche feindselige Regung gegen Ted? Sie wollte ihn scharf machen und klappte schnell die Beine wieder zusammen, als sie sich vergegenwärtigte, dass ich ja dabei war.
Wohin war sie verschwunden, als sie etwas von dem blonden Mädchen redete, zu dem ich angeblich hoch ging?
Was stand in dem dicken Brief ihrer Mutter, den sie mir verheimlichte? Was schrieb sie ihrer Mutter?
Worüber grübelte sie auf der Fensterbank nach, insbesondere als sie die Halstücher bestickte?
Was spielte sich beim Wäschewaschen ab, morgends, abends? Was spielte sich beim Duschen ab; warum kam sie zu mir ins Hotel zum Duschen?
War sie angeregt durch die Französin, die jeden Tag mit einem anderen Mann schlafen wollte? War sie angeregt durch die Engländerin?
Was war mit dem unsympathischen Franzosen, der Abends in den Waschraum kam. Er frug mich nach dem Hotelmanager. Es schien mir eine Ausrede zu sein. Sie sagte „Nein“ auf meine Frage, ob das hier immer so sei.
Von wem war der Samen, den sie an der Futt hatte?
Wollte sie sich mit ihrem gründlichen Brausen bei mir im Hotel „reinwaschen“?
Warum nahm sie so eine hängende Gestalt an?
Warum bekamen wir Krach, nachdem wir in Kathmandu im Zoo waren. Worum ging der Krach?
Welche Rolle spielte das Buch, das ich ihr zum Lesen gab über „Sex on the Campus“?
Worum ging das Gespräch zwischen ihr und Wibbel, als ich im „Indira“ mal dazukam?
Wurde sie gestoßen, als ich auf Amelie aufpassen sollte abends – und sie Wäsche auswaschen ging?
Was bedeutete die Geschichte an jenem Nachmittag, als wir uns in dem chinesischen Lokal zerstritten. Sie lief hinter uns her, ich nahm die Amelie. Sie lief dann weg – und ich ihr hinterher?
Was dachte sie sich, als ich ihr erzählte, dass ich an einer Ecke auf sie wartete und mir einbildete, sie sei fremdgegangen? War sie fremdgegangen – und wo und mit wem?
War sie neidisch, dass die Engländerin mit Ganja zusammenwar?
Was waren das für Typen, die in ihr/unser Hotelzimmer unangemeldet hereingestolpert kamen?
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