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10.11.2018
Kommentar:
Ich denke, der Philosoph (und Jesuit) Michael Bordt hat eine interessante Theorie zu dem Thema. In einem Spiegel-Interview [Der Spiegel 52/2017, S. 115] wird er gefragt: Gilt Enttäuschung nicht vielen als negative Erfahrung? Antwort von Bordt: <Viele Menschen entwickeln Strategien, um sich vor Enttäuschungen zu bewahren. Vor allem werden Erwartungen runtergeschraubt. Wer sich nicht enttäuschen lassen will, trainiert sich meist systematisch ab, sich selbst wahrzunehmen. Die Konsequenz ist eine emotionale Taubheit, das eigene Leben verliert an Tiefe und an Kreativität, man büßt Beziehungen ein. Ich plädiere in meinem Buch [Die Kunst die Eltern zu enttäuschen] deshalb für eine „robuste Verletzbarkeit“, ein Begriff, den ich bei dem Dichter David Whyte gefunden habe. Es kommt darauf an, verletzbar zu bleiben. Aber nicht wie ein scheues Rehlein, das ständig versucht wegzurennen. Stattdessen entwickelt man eine Haltung, die heißt: ich komme mit Enttäuschungen und dem, was sie an mir auslösen, zurecht. Daraus entsteht Stärke.>
Diese Ansicht ist sicherlich ehrenvoll und steht als wichtige Orientierung im Raum. Doch leidet sie meines Ermessens an einer gewissen Einseitigkeit der individuell-psychologischen Sichtweise. In einer Gesellschaft in der es ziemlich vielen Menschen ziemlich wenig ausmacht, andere Menschen reinzulegen, wäre man doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn man daraus nicht seine Konsequenzen zöge und sich dagegen abschirmte. D.h. es existiert außer der individuellen Seite des Problems auch noch die gesellschaftliche Seite.
Um das Problem zu lösen, reicht meiner Ansicht nicht der individuelle Voluntarismus. Nach Enttäuschungen und schlechten Erfahrungen bleibt einem nix anderes übrig, als sich abzuschirmen und vorsichtig zu sein. – Natürlich, ein allzu starker Frust nach einer großen Enttäuschung kann auch zur emotionalen Taubheit führen. Und hier ist es schon wichtig, dass man mit Hilfe von psychologischer und soziologischer Reflexion das Schlimmste abmildert. – Aber die eigentliche Lösung des Problems kann nur gesellschaftlich gelingen, indem sich die ganze Gesellschaft zu anständigem Verhalten erzieht.
Ich jedenfalls habe keine Lust, mich frisch und fröhlich einer neuen Enttäuschung mit einem asozialen Mieter auszusetzen, dem auch noch der ‚Rechtsstaat‘ gegen mich als Vermieter zur Seite steht. Einem Vermieter, der durchaus berechtigte Vorstellungen von einem ordentlichen Mietverhältnis hat. Da bin ich schon sehr wachsam, dass mir das nicht wieder passiert. – Ganz ähnlich verhält es sich im Umgang mit einem Soziopathen (vgl. Martha Stout: The Sociopath next door). Da kann man keine ‚Stärke‘ aus der Enttäuschung entwickeln. Da heißt es so schnell wie möglich Land gewinnen und seine Verluste abschreiben. Oder ist das die ‚Stärke‘ die der Philosoph Michael Bordt meint?
TINMAN and the cowardly lion at 2002 Pet Pride Day, SF. Photo by Nancy Wong (Lizenz siehe Wikimedia)
24.10.10
Manisch-depressive Bipolarität
Ich habe darüber kürzlich mit Barbara zusammen einen Doku-Film gesehen. Mir kommt die Sache überhaupt nicht fremd vor, wenn man sie mal nüchtern betrachtet.
Insofern so was Ähnliches früher selber auf mich zugetroffen hat, möchte ich es folgendermaßen erklären bzw. beschreiben:
„Himmel hoch jauchzend“. Das ist eine Übertreibung und trifft meine Sache nicht richtig. Worum es für mich geht, das sind „positive poetische Gefühle“ (ppG), wie ich das in meiner Privatsprache benenne. Des weiteren, daß man sein Leben rund um die Ermöglichung der Herstellung jener ppG organisiert: Jede Menge Action ist angesagt, Dinge die einem anturnen: Lebenserfolge, abenteuerliche Reisen, intensive menschliche Begegnungen, besondere Erlebnisse, ergreifende Musik, generell Kunst, Literatur, Film, Theater, interessante neue Ideen. Das Ganze natürlich noch irgendwie miteinander verknüpft. Aus der gleichzeitigen oder auch nachherigen narzißtischen selbstreflektiven Wahrnehmung entsteht dann jenes intensive ppG.
„Zu Tode betrübt“. Es reicht schon, daß einem irgendwie die Traurigkeit, Verlorenheit, Einsamkeit, Ungenügsamkeit an dem Gegebenen anweht. Das kann sich allerdings steigern durch irgendwelche besonderen Versagungen und Kränkungen. Solch eine tief gefühlte (sozusagen genußvolle) Traurigkeit würde ich gerne „negative poetische Gefühle“ (npG) nennen.
Es gehört offenbar zur Eigenart des „Menschen mit poetischer Gefühlsfähigkeit“ (pG), daß er eine strikte Trennung zwischen diesen beiden Zuständen ppG und npG sieht: „natürlich“ ist das Eine was völlig anderes als das Andere! Denn es gibt für ihn ja kaum was Gegensätzlicheres in seinem Leben.
Es gibt mehrere Dinge, die der pG meiner Ansicht nach (wenn ich von mir ausgehe), nicht weiß:
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Daß es einen inneren Zusammenhang zwischen ppG und npG gibt. Man kann das ungefähr so ausdrücken: je mehr jemand ppG erlebt, desto mehr erlebt jemand npG. Oder anders ausgedrückt: wer das eine erleben kann, kann auch das andere erleben – und zwar im direkten Verhältnis zueinander. Wer es also zum Virtuosen im ppG bringt, darf sich – objektiv betrachtet - eigentlich nicht wundern, daß er entsprechend zutiefst traurig sein kann. Daß dieses ‚Kann’ in unserer Gesellschaft oft genug zum ‚Muß’ wird, insofern daß die Aufschwünge zum ppG (gesellschaftlich notwendigerweise) im persönlichen Lebensweg immer irrealer werden und entsprechend die Abschwünge umso drastischer, das scheint mir das eigentliche Wesen der vollendeten manisch-depressiven Bipolarität auszumachen: sie stellt somit eine gesellschaftliche ‚Krankheit’ des isolierten Individuums dar, das nicht den Schutz der bornierten Gemeinschaft sucht, um seine ppG darin halbwegs kontrolliert auszuleben (beispielsweise Karnevalsvereine, religiöse Gemeinschaften, Sportvereine usw.).
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Daß es deshalb geradezu eine ‚Endlosschleife’ geben kann zwischen der Sucht nach ppG und damit faktisch erreichtem npG. Wie bei allen Endlosschleifen im Psychischen ist eine echte Änderung nur möglich durch Aufhebung der Kritikimmunität. Wer aber, so frage ich mich, schafft es, Kritik zu seinem Aufschwungbedürfnis herzustellen: es ist doch „mein Leben“, das was ich eigentlich will. Dagegen helfen also offenbar nur Psychopharmaka.
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Nun speziell noch zu meiner eigenen Geschichte: Die Hippie-Geschichte hat versucht, jene ppG zu intensivieren. Insofern ist es kein Wunder, daß der Rückfall in die npG umso drastischer war. Speziell die ‚Freie Liebe’, die ja als Vehikel von ppG dienen sollte, hat enorme Probleme von npG mit sich gebracht, wie man in allerlei Rockmusik aus dieser Zeit (>1969) rekonstruieren und nachweisen kann. (Paradigmatisch: Janis Joplin: Me and Bobby Mc Gee).
Meine eigene ‚Lösung’ waren allerdings keine Medikamente, sondern etwas, das ich so unerträglich fand, wie ein ständig eiterndes Geschwür: eine Stillstellung, oder besser Rudimentierung, meiner poetischen Gefühlsfähigkeit mit Hilfe eines ‚Symptoms’. Was ich erst jetzt kapiere: was ist eigentlich besser? Jene manisch-depressive Bipolarität, oder jener Zustand von Taubheit meiner für mich ehemals so wesentlichen Kräfte? Möglicherweise erfüllen die Medikamente einen ganz ähnlichen Effekt wie meine Symptomatik.
Am Ende kann ich gar froh sein über ‚meine’ Symptomatik. Denn sie hatte immerhin (im Gegensatz zu Medikamenten) den Vorteil, daß ich Stück für Stück merken konnte, wie sie sich verringert. (Ungefähr so, wie wenn eine Ameise stetig aber ausdauernd einen Berg abzutragen versucht, von dem sie nicht weiß wie hoch der ist). Und zwar hatte jene Verringerung mit meiner Erkenntnisfähigkeit und Einsicht zu tun. Einsicht in alles Mögliche, keineswegs nur ‚Psychologie’! Die Haltbarkeit der Erkenntnis wurde kurioserweise getestet an dem Symptom, insoweit es sich verringerte. Das Symptom als Wahrheitskriterium! – Wer hat davon schon mal gehört?
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27.10.10
Was mir inzwischen noch dazu eingefallen ist.
1. In jenem Dokumentarfilm wurde auch etwas von Vererbbarkeit erzählt. Wenn also demgemäß ein Elternteil ebenfalls diese Krankheit hat, ist die Wahrscheinlichkeit, das selber zu bekommen 20 %. Bei beiden Elternteilen sind das angeblich 50 %.
Vielleicht handelt es sich ja bei dieser Thematik um Menschen mit einer besonders starken Veranlagung zur Ausprägung poetischer Gefühle, die sich natürlich vererbt – gemäß Vererbungsgesetzen. Während diese Veranlagung in früheren kultivierten Epochen (Renaissance, Barock und folgende) vermutlich (oder besser: allem Anschein nach) ein besonderes Plus darstellte, ist diese Veranlagung nach dem 1. Weltkrieg immer weniger gefragt. Sie hat mit der ‚Sachlichkeit’ der modernen Welt schlechte Karten, so daß sie sich in kranke Verläufe verirrt. Eine hohe Selbstmordrate tut das Übrige, um jene sensible, ästhetische Veranlagung aus der Menschheit wieder weitgehend auszutilgen.
2. Auch ist mir noch die Idee eingefallen, welche Menschen mit pG mein Symptom trifft, und welche Menschen mit bipolaren Exzessen herumirren. Die ersteren haben noch eine Möglichkeit in dieser ‚sachlichen’ Welt mit Hilfe von Erkenntnis und erkenntnisfördernder Kunst das Problem zu thematisieren. Die Psyche sagt dann: „Ok. Ich gebe Dir noch eine Chance – ich schenke Dir dieses graue Symptom, arbeite Dich daran ab.“ – (Cool, ne? Soviel Wissen hätte man der Psyche nicht zugetraut!)
3. Darauf folgt jetzt hier eine gänzlich neue Idee: Wie wäre es, wenn man das Projekt einer Landkarte der psychischen Möglichkeiten und Pathologien entwickelte? Damit meine ich nicht einfach nur eine statische (und damit eigentlich ziemlich unwissenschaftliche) Aufzählung, bzw. fragwürdige Systematisierung, was es alles so gibt an Psychopathologien vs. normalem Verhalten. Ich meine was ganz anderes. Ich meine was wirklich Wissenschaftliches. Nämlich die dynamischen Entwicklungen der verschiedenen psychischen Formierungen (inkl. sog. ‚Fehlformen’) in ihrem zeitlichen Verlauf und vor allem ihrer Gesellschaftsabhängigkeit und Beziehungsabhängigkeit, sodaß sich ein breites Panorama ergibt, eben eine ‚Landkarte’ (evtl. mehr als zweidimensional), die sich aufgrund der logischen Zusammenhänge ergibt. Das wäre dann Menschenkenntnis als Wissenschaft. Ich glaube, dem bekannten Sozialphilosophen Horst-Eberhard Richter hat so was Ähnliches (unbewußt?) vorgeschwebt (vgl. speziell „Der Gotteskomplex“).
4. Nun bleibt – vorerst als letztes – die Frage übrig: Wie soll eigentlich heutzutage eine Lebensgestaltung laufen, die nun das pG einerseits integrieren kann und dennoch realistisch, bodenständig ist? Ist es beispielsweise so, wie Tracy Chapman - REMEMBER THE TINMAN vorschlägt?
„If you can tear down the walls Throw your armor away remove all roadblocks barricades If you can forget there are bandits and dragons to slay [abschlachten] And don't forget that you defend an empty space”
Das ist ja in der Tat das Konzept der ‚Lebenskünstler’: möglichst weit weg von der realen widerwärtigen (kritischen) Politik, hin zur möglichen (positiven) Lebensgestaltung im Flug darüber-hinweg: „fly with the eagles, don’t scratch with the chicken.“
Dieser Spruch gemahnt mich plötzlich an einen jener bedeutungsvollen Erinnerungsspots, die man im Leben so hat. Ich sehe mich mit meinem Zeitungsrad morgens in aller Herrgottsfrühe (ca. 4 0der 5 Uhr) in der leeren, aber sommerlich hellen, Gießener Ebelstraße auf der linken Seite, kurz vor der Wilhelmstraße hochdappeln. Ich weiß nicht, ob da der Spruch irgendwo geschrieben stand (an einer Hauswand oder wo?). Ich habe diesen Spruch damals (80er-90er Jahre, während meiner 17 Jahre Zeitungsträgerzeit seit 1984) mit gemischten Gefühlen gelesen. Natürlich hatte ich jetzt offenbar die Chicken-Karte gezogen und nicht die Eagle-Version drauf, wie in früheren Zeiten. Mir kam die Sache damals, als akademischer Zeitungsträger, der seit etlichen Jahren dem Realismus zustrebte, ziemlich elitär und arrogant vor.
Aber man sollte die Ansicht von Tracy Chapman nicht so leichtfertig vom Tisch wischen. Es ist ja viel Wahres dran. Meine glückliche Zeit in Wetzlar war weitgehend unpolitisch. Ja sogar mein (irgendwie glückliches) Studium in Berlin mitsamt Studentenbewegung war es, wiewohl ich an allem möglichen teilnahm. Die Studentenbewegung interessierte mich ‚vom Leben’ her (das war ja ein Teil ihres Erfolges bei den Studenten), aber nicht eigentlich von der Politik her. Auch meine Hippie-Geschichte war weitgehend unpolitisch. ‚Politisch’ wurde ich erst mit Hilfe ‚meines Symptoms’ (ab 1971, Hudiksvall und das folgende Studium ab 1972 der Politik in Deutschland). Da wurde ich allmählich so richtig wach gegenüber der ‚Realität’. – Und ich denke, das war auch sinnvoll, denn auf die Ildiko-Geschichte konnte ich doch nur so abfahren aufgrund von gesellschaftlicher Unreflektiertheit. Das mußte aber erst mal aufgedeckt werden. Das war in der Tat eine meiner (äußerst langwierigen theoretischen) ‚Aufgaben’.
So und jetzt?
Was tun – sprach sowohl Zeus, als auch Lenin. – Soll ich jetzt einen auf Idylle machen – und den Rest des (politischen) Lebens vergessen? Gehört das wissenschaftlich-philosophische Leben nicht zum politischen Leben? Kann man das trennen, ohne zum naiven Bildungsbürger zu werden, der kümmerlicherweise keine schmutzige Realität an sich rankommen lassen will/kann?
Oder kann man es auch so sehen: Du hast jetzt aufgedeckt, jetzt lebe endlich Deine Jahre. (Was mache ich aber hier? Die letzte Aufdeckung?).
Ok. Die neue Losung ist vielleicht: „werde unpolitisch“. Dies ist halt so ein Versuch wieder zurück ins ‚Leben’. Erklärung: im Rahmen der ‚Sachlichkeit’ läßt sich (poetisches) Leben und Politik notwendigerweise nicht integrieren. Auch Politik-Kritik hat nur begrenzte Chancen, die ich nicht zur Lebensvermurksung endlos weiterführen muß (bestenfalls zur Selbstreflexion). Ich muß die ‚Flucht’ ergreifen, so lange es noch geht. Der Unterschied zur üblichen Flucht könnte vielleicht darin bestehen, zu wissen, daß es eine bewußte, überlegte Flucht ist, was immer dieselbe auch bedeutet. Das muß ich noch rauskriegen.
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29.10.10
Heute hatte ich einen interessanten Flashback – mitsamt dem zugehörigen poetischen Gefühl. Es war ein wunderschöner sonniger Herbsttag und Barbara und ich machten mit dem Auto eine Einkaufstour (Sonderangebot von Aldi-Weinen). Barbara mußte vorher ein Paket zur Bahnhofs-Post bringen, während ich im Auto in irgendeinem hinteren Parkplatzgelände bei der Bahn wartete und Musik hörte. Ich sah den schönen hellen Himmel, hörte die Musik, sah weiter weg, oben, die Spitze des schönen Bahnhofsturmes von 1900 und drüben die Strommasten mit ihren komplexen Leitungen der Bahnlinien, sowie eine Bahnüberführung für Fußgänger und vor mir den abgefuckten Parkplatz mit seinen abgefuckten Nutzhäusern mit ihren abgefuckten Hinterseiten. Links sah ich eine lange Fensterfront, die ebenerdig voll vergittert war gegen Einbrecher (mit so spitzen Haken nach außen oben und unten) – und bei der Überlegung, warum gibt es eigentlich, wie selbstverständlich, Einbrecher und Kriminelle in dieser Gesellschaft, da kam dann der Flash. Mir wurde plötzlich klar, wie das früher war, Ende der 60er Jahre: Das war: „Verdammt, wir müssen raus aus dem Dreck!“ (wie Lindenberg 1978 das alte Lied von Eric Burden & The Animals) von 1965 übersetzte: „We got to get out of this place“). Mein ganzes poetisches Gefühl war zu dieser Zeit, Ende der 60er Jahre, gegen diese Häßlichkeit gerichtet – es suchte eine Alternative, nicht nur in den Utopien (der Studentenbewegung, beispielsweise Herbert Marcuses), sondern auch in der Realität, die es damals ja tatsächlich noch gab: die schönsten und unberührtesten Küsten der Welt warteten auf uns. Und für ein paar Mark (oder eine Handvoll Dollar) konnte man da prima leben. Ich sah diese Häßlichkeit hier unten auf diesen schrecklichen Straßen mit ihren meist fiesen Häusern & Menschen, dagegen den schönen Himmel oben, und wußte, daß der gleiche schöne Himmel sich über die edelsten Gegenden der Welt wölbte. Allerdings ist man dabei auf die halboffizielle Sexualideologie reingefallen (die man nicht durchschaute, weil offiziell waren die verlogenen Spießer ja prüde), daß man als Gegenbild auch die schöne, sexy Frau brauchte, mit der man dann aufbrach in die andere, nicht häßliche Gegen-Welt. Genau das war die Hippie-Ideologie, der ich anhing – ganz spontan, da brauchte ich keine Indoktrinierung, das war mein Trip! Und dazu gehörte eben jener poetische Gefühlszustand, den man keinem beschreiben kann, und zwar noch viel weniger, wie man jemandem Geschmack, Schmerz und Lust oder Farben nachvollziehend beschreiben kann. Man kann vielleicht höchstens sagen: es ist ein ‚farbiges’ Gefühl, um es in einer Analogie anzudeuten. Und zweifellos hat die Farbenpracht der Hippies was mit ihrer Fähigkeit zu poetischen Gefühlen zu tun, insofern die Farben als Symbol für ihren inneren Zustand dienten, der auf das Äußerste kontrastierte zu den üblichen, offiziellen grauen, farblosen, uniformen und kaputten Spießerwelten der damaligen (und heutigen) Zeit.
Was Du mir schenken kannst
Deine zarte Hand?
Augen, die die Anmut des Frühlings erwecken?
Ergriffenheit?
Deinen weichen Mund,
Deine wogende Brust,
Die Freuden Deines schönen Körpers?
Du feingliedriges Wesen.
Was Du mir schenken kannst,
Das ist der Aufbruch unseres Lebens.
Das ist die Sonne,
Die aufstrahlt in unsere Seelen
Am frühen Morgen.
In dem geheimnisvollen Universum.
Was Menschen erträumen,
Kinder erahnen,
Ist die Liebe von Menschen zu Menschen.
Unsere Liebe,
Von Menschen zur Welt.
(Manfred Aulbach, Anfang 1968)
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